Sonntagmorgen, halb acht, im tiefsten Erzgebirge. Neben der Jugendherberge Frauenstein, dem Zielort des Rennens, steht auf der Wiese ein Podest. Die drei Stufen sind auf der Vorderseite nummeriert, mit schwarzer Farbe, gepinselt auf weiße Kreisflächen, eingefasst in sehr grobstollige Reifen. Auf einer davon sollte ich später stehen, was ich zu diesem Zeitpunkt natürlich noch nicht wusste.
Früher hat der Motorsportclub Frauenstein Kartrennen auf dem Marktplatz veranstaltet, da kamen Tausende, dann kam die Wende, dann hatte jeder was zu meckern und dann gab es keine Rennen mehr. Und als Ersatz gab es Mountainbikeveranstaltungen und später ein Einzelzeitfahren für Straßenräder. So die Kurzfassung der Vereinsgeschichte, wie sie heute vor Ort die Runde machte.
Das Straßenrennen war auch für dieses Jahr geplant, konnte aufgrund behördlicher Auflagen und einer Baustelle jedoch nicht stattfinden. Aber weil der Frauensteiner Verein aus echten Improvisationstalenten besteht, wurde kurzerhand ein Bergzeitfahren angeboten – auf einer Privatstraße.
Die Strecke führt komplett durch den Wald, wo es an diesem Morgen kalt, feucht und ziemlich ungemütlich ist. Zum Einfahren steht eine sonnige Strecke auf der anderen Talseite zur Verfügung, aber richtig auf Betriebstemperatur komme ich trotzdem nicht. Gestartet wird im 30-Sekunden-Takt und nie zuvor hat sich eine Steigung so zäh angefühlt.
Ich halte mich rechts, weil ich fest damit rechne, bald von meinem Verfolger überholt zu werden. Die Strecke ist nur knapp zwei Kilometer lang, aber es hilft ja nichts, die Uhr läuft. Habe ich mich jemals so dämlich einen Berg hochgequält? Letzte Kurve, es wird flacher, noch mal treten, die Lunge quietscht, zack, drin. Und zum Ausrollen den Rest des Berges hochkurbeln, schönen Dank …
Warme Sachen an, Rad ins Auto, noch schnell eine heiße Suppe vom Herbergsvater. Die Siegerehrung läuft, mein Name wird vorgelesen – Platz 2 in der Altersklasse! Zum Glück habe ich noch mein Trikot unter der Jacke.